Unter schwarzem Himmel
Malik schaute mit voller Begeisterung nach hinten, als sich hinter ihm eine riesige Welle auftürmte. Er fing sofort an wie ein Wilder mit seinen Armen zu paddeln. Adrenalin schoss ihm durch den Körper, als die Welle näher und näher kam. Malik wusste mittlerweile, wann der perfekte Zeitpunkt war, um eine Welle zu nehmen. Als nun die Welle direkt hinter ihm war, sprang er auf und landete mit beiden Beinen geschickt auf dem Surfboard. Die Welle war sogar noch grösser als erwartet, und Malik raste mit Höchsttempo die Wasserwand hinunter. Malik schrie vor Freude.
Plötzlich tauchte aus dem Nichts ein Stück Holz auf. Um diesem Stück Holz auszuweichen, war keine Zeit mehr übrig und sein Brett wurde ihm von den Füssen gefegt. Jetzt geschah alles nur noch in Zeitlupe. Wie ein lebloses Tier flog er durch die Luft. Die Arme weit ausgebreitet und die Augen weit aufgerissen, traf Malik mit voller Wucht auf das Wasser auf.
Die Welle riss ihn mit in die Tiefe und er wurde wie in einer Waschmaschine herumgeschleudert. Mit keuchendem Atem kam er an die Wasseroberfläche. Er stieß beide Arme in die Höhe und schrie vor Freude in Richtung seiner Mutter, welche am Strand zuschaute und sich kühle Luft zufächelte.
Malik hob in diesem Moment zufällig den Blick zum Himmel und entdeckte dort eine schwarze, sehr ungewöhnliche Wolke. Er machte sich jedoch keine Gedanken darüber. Mit seinem Board paddelte er immer noch sehr erschöpft an Land. Patrizia, seine Mutter, nahm den 12-jährigen in die Arme und sagte: „Bitte sei ein bisschen vorsichtiger beim nächsten Mal, ja?“. Dabei küsste sie ihn auf die Wange. Malik, der dies überhaupt nicht mochte, befreite sich so schnell er konnte. „Komm wir gehen etwas Essen. Dein Bruder und Dein Vater warten schon im Restaurant Petit Nice auf uns.“ Malik erwiderte: „Ich will noch nicht Essen gehen. Kann ich bitte, bitte noch eine Welle nehmen?“ „Nein, die anderen warten schon genug lange.“ Mit einer düsteren Miene sprach Malik: „Okey, wenn es halt sein muss“. Malik nahm sein Brett unter den Arm und stampfte durch den Sand in Richtung Restaurant.
Jamie, Maliks älterer Bruder, wollte gerade einen Bissen von seinem Burger nehmen, als sein Blick am Himmel haften blieb. „Ehmmm, Leute seht ihr auch, was ich sehe?“ Alle Blicke richteten sich zuerst auf Jamie und dann in die Richtung, in welche Jamie mit seinem Finger zeigte.
Das ist dieselbe Wolke, die ich vor einer Stunde gesehen habe, dachte Malik. Die Wolke am Horizont war nun viel grösser als zuvor und er ahnte, dass es sich um ein grosses Feuer handeln müsse. „Irgendein Feuer muss doch irgendwo in der Nähe von unserem Campingplatz sein“ meinte Malik angespannt. „Das stimmt in der Tat“, erwiderte sein Vater, Carlos.
Dieses Ereignis wurde auch schon von anderen Leuten am Strand beobachtet, die ganz aufgeregt miteinander diskutierten. „Komm, wir müssen los, schnell!“ sagte Patrizia, legte schnell einen 50 Euro Schein auf den Tisch und sprang Richtung Auto. Die anderen eilten ihr nach.
Der Motor ihres grünen VW Van‘s sprang an und Carlos drückte das Gas-Pedal voll durch. Er fuhr so schnell er konnte die Strasse entlang durch das kleine Dorf und in den Wald hinein. „Pass auf!“, schrie Patrizia. Carlos konnte gerade noch das Lenkrad herum reissen, um nicht in den ihnen entgegenfahrenden Touristenbus zu fahren. Als sich die Atmosphäre ein wenig beruhigt, kurbelte Malik das Fenster hinunter um einen besseren Blick, auf die Riesenwolke die schwarz wie Asche war, zu bekommen. Dabei stiess ihm ein übler Geruch nach verbranntem Holz in die Nase. Er sah über ihnen auch einen Schwarm Vögel aufgeregt Richtung Meer fliegen.
Beim Campingplatz angekommen, fuhren sie so schnell sie konnten zu ihrem Platz und schalteten den Fernseher an, wo die neuesten Nachrichten ausgestrahlt wurden. Es wurde eine Karte gezeigt, auf der man einen riesigen roten Fleck sehen konnte, der das Feuer repräsentieren sollte. „La dune“ der Campingplatz, auf welchem sie gerade waren, war auch auf der Karte ersichtlich, aber etwa 5km nordöstlich vom Feuer.
Mit einem Schluchzen liess sich Malik auf die Couch fallen und versteckte sein Kopf in seinen Händen. „Mama ich habe solche Angst“, sagte Malik, während er versuchte seine Beine unter Kontrolle zu bringen, welche nicht aufhörten zu zittern. „Alles wird gut, mein Engel“, sagte Patrizia und nahm ihn in die Arme. „Ich gehe mal zur Reception und schaue dort nach, was die zu sagen haben“, äusserte sich Carlos. „Ich komme mit“, sagte Jamie.
10min später kamen die beiden erleichtert zurück. Die Reception hätte gemeint, dass die Feuerwehr alles unter Kontrolle hätte, und dass die Campierenden nicht evakuiert werden müssten. „Zum Glück“, sagte Patrizia.
Als es Nacht wurde, gingen alle ausser Malik, der nach draussen ging, zu Bett (Jamie in sein Zelt und seine Eltern in den Van). Er sah, wie sich die Rauchwolke sehr schnell bewegte, als der Vollmond, eben dieser einen unheimlichen, silbernen Farbton verlieh. So einzigartig der Anblick auch war, Malik hatte trotzdem ein mulmiges Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Der Junge ging in sein Zelt, das ein bisschen entfernt vom Rest der Familie lag. Trotz seiner grossen Angst schlief er irgendwann dennoch ein.
Irgendwann später in der Nacht registrierte Malik im Halbschlaf ein eigenartiges Geräusch, ein Knirschen, das ihm nur zu bekannt vorkam. Er konnte aber nicht einordnen, was für ein Geräusch es war. Seine Augenlieder waren immer noch zu. Er erschrak zu Tode als er realisierte, was das für ein Geräusch war und war urplötzlich hellwach. Das Geräusch eines Feuers. Sein Gesicht wurde vor Panik kreideweiss. Malik sprang auf und rannte aus dem Zelt.
Er traute seinen Augen nicht. Die Landschaft, die vor wenigen Stunden noch ein schöner, grüner Pinienwald gewesen war, sah jetzt wie das Tor zur Hölle aus. Er schrie aus voller Brust: „Mama, Papa. Wo seid ihr. HILFE!“. Er sprintete zum grünen Van, doch seine Eltern und sein Bruder waren nirgends zu sehen. Ein Wildschwein kam grunzend aus dem Feuer gerannt und kollidierte fast mit ihm. Da erinnerte er sich plötzlich wieder, was seine Mutter am Tag zuvor gesagt hatte: „Falls das Feuer dann doch kommen sollte, lässt du all deine Sachen liegen und rennst so schnell es geht zum Meer. Das Feuer kann dir dort nichts anhaben“. Das war jedoch einfacher gesagt als getan. Malik war eingekesselt und hatte keine andere Option als sich durch das Feuer zu kämpfen. Er nahm all seine Kräfte zusammen und rannte mit einem Adrenalinschub los.
20min früher: Die Eltern von Malik waren friedlich im Van am Schlafen als, plötzlich die Türe des grünen Vans zu Boden gekickt wurde. Zwei Männer mit Gasmasken und Roter Kleidung, die den ganzen Körper verdeckten, stürmten den Van. Mit ihnen kam eine Rauchwolke hinein, die die Sicht verschlechterte.
Die zwei Männer durchsuchten den Van und kamen schließlich zum Schlafzimmer, wo Patrizia und Carlos waren. Sie kickten auch die Türe dort ein und zogen Patrizia und Carlos mit sich aus dem Van. Patrizia schrie: „Was ist denn hier los!“. Die Männer erklärten den Eltern, dass sie schleunigst evakuiert werden müssen. Die zwei Feuerwehrmänner fragten, ob es noch andere Menschen hier gäbe und Carlos sagte: „Dort drüben ist noch unser Sohn“ Er zeigte mit seinem Finger in Richtung eines Orangen Zeltes. Einer der beiden rannte zum Zelt hinüber und zerrte den halb schlafenden Jamie aus dem Zelt. „Komm wir müssen sofort los“ schrie einer der Feuerwehrmänner durch seine Gasmaske. Hustend rannten die drei Evakuierten zu ihrem Van und fuhren los. „Jetzt sind wir endlich diesem Jamie losgeworden“ meinte Carlos mit einem fiesen Lächeln.
Malik rannte so schnell es seine Beine erlaubten durch verbranntes oder immer noch brennendes Gestrüpp. In der Ferne sah er wie sich der Wald langsam öffnete. Doch er verfing sich in einer Wurzel, die ihn zu Boden schickte. Er wollte aufstehen, doch sein Blick blieb an einem herunter Fallenden Baum, der gerade auf Malik stürzte. Sein ganzes Leben, all seine schönen Momente, spielte sich vor seinen Augen ab.
Mit einer Schweissperle auf der Stirn sprang Malik aus dem Bett.